Pflümlis Geburtsbericht

Geposted von Dominique Jakel am

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Wir verbrachten einen warmen, sonnigen Nachmittag auf dem Wasserspielplatz. Auf dem Weg dort hin lief ich mit deiner Schwester eine extra große Runde. So lange warteten wir nun schon auf dich, so viel hatte ich zur Förderung der Wehen schon unternommen, aber bisher half nichts. Und die Zeit spielte gegen uns. Es waren bereits 11 Tage seit deinem errechneten Entbindungstermin vergangen. Wir hatten also nur noch drei Tagen Zeit für einen natürlichen Geburtsbeginn.
Als wir abends nach Hause kamen, stellte ich fest, dass sich ein Teil des Schleimpfropfs gelöst hatte. Während ich in den letzten Tage zunehmend an Zuversicht verlor, weckte dieses Zeichen neue Kraft in mir. So hatte die Geburt bei deiner Schwester nämlich auch gestartet.
Als deine Geschwister im Bett waren, sahen dein Papa und ich uns ein Serienstaffelfinale an. Du warst ungewöhnlich aktiv an diesem Abend und hast für ordentlich Tumult in meinem Bauch gesorgt. Als die letzte Folge vorbei war, dachte ich noch sehnsüchtig, dass ich jetzt wirklich bereit war für unser gemeinsames Finale!
Wir gingen schlafen, zumindest dein Papa. Ich war noch wach, begleitet von ein paar der altbekannten Übungswehen, die deinen Papa und mich in den letzten Wochen schon zwei mal in Alarmbereitschaft versetzt hatten. Leider waren das aber jedes Mal Fehlalarme. Gut, dass wir das immer rechtzeitig erkannt hatten und nicht fälschlicherweise schon losgefahren waren. Ich maß den Wehen deshalb keine weitere Bedeutung zu. Doch irgendwann realisierte ich, dass sich die Wehen dieses Mal anders anfühlten. Sie waren viel tiefer zu spüren und ja, tatsächlich unangenehm. Ich erinnerte mich an die Eröffnungswehen deiner Schwester und wusste schlagartig: es geht diesmal vielleicht wirklich los.
Es war gegen 12 Uhr Mitternacht. Ich ließ deinen Papa noch ein wenig schlafen und startete über Kopfhörer meine Geburtsplaylist auf dem Handy. Ein vorfreudiges Gefühl machte sich in mir breit und ich freute mich über jede kleine Wehe, die gelegentlich anrollte.
Nach ca. 1,5 Stunden war ich mir sicher, stand auf und bereitete alles für unsere Abfahrt vor. Dann weckte ich deinen Papa, der überraschend unaufgeregt wirkte. Ob er wohl wieder an einen Fehlalarm glaubte? Wir gingen beide nochmal duschen, ich rief meine Freundin an, dein Papa packte das Auto, trug deine schlafenden Geschwister rein und wir starteten Richtung Filderklinik.
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Gegen 3 Uhr setzten wir deine Geschwister bei unseren Freunden ab und verabschiedeten uns. Die Wehen kamen zu diesem Zeitpunkt etwa alle 6 Minuten und fühlten sich an wie leichte Unterleibskrämpfe. Auf der einstündigen Fahrt danach unterhielten wir uns noch gut gelaunt und voller Vorfreude. Die Wehen ließen sich problemlos veratmen.
Etwa um 4 Uhr kamen wir in der Klinik an. In aller Ruhe wurden wir von einer sehr netten Hebamme aufgenommen. Ich erzählte von den vorangegangenen Geburten und deiner Schwangerschaft. Während des Gesprächs merkte ich, dass sich die Wehenabstände wieder verlängerten. Als mir die Hebamme nach der Untersuchung dann auch noch sagte, dass der Muttermund erst bei 1,5cm sei, gingen wir davon aus, einen langen Tag vor uns zu haben. Kurz stand sogar die Frage im Raum, wieder heimzufahren. Dafür war uns die Anfahrt aber zu lang.
Also wurde uns ein zweites Bett in den Vorbereitungsraum geschoben und wir ruhten uns ein wenig aus. Es war jetzt ca. 5 Uhr. Während dein Papa tatsächlich einschlief, lag ich mit geschlossenen Augen auf der Seite und konzentrierte mich auf die Wehen. Denn allmählich wurden diese wieder intensiver. Ich fing an, sie bewusster zu veratmen und merkte dabei, wie sie immer schneller auf einander folgten. 4 Atemzüge pro Wehe, nach 2 war die Hälfte geschafft, nach 3 ließ der Schmerz langsam nach. Und dann die Pause genießen. Ich wiederholte im Kopf meine Affirmationen: "Jede Wehe bringt mich meinem Kind ein Stück näher", "Mein Körper ist dazu gemacht, dieses Kind zu gebären", "Ich bin stark und bleibe entspannt". Es funktionierte. Ich blieb entspannt und atmete leise vor mich hin.
Zwischendurch trank ich viel und ging immer mal wieder meine Blase entleeren. Ich dachte mir, wenn das so weiter ginge, käme ich gut klar. Ich war voller Zuversicht und freute mich auf unsere Reise.
Bis es plötzlich einen Schlag tat. In meiner Hose. Und alles war nass. Es war 6:55 Uhr und offensichtlich war gerade deine Fruchtblase gesprungen. Ich wurde unruhig und Übelkeit stieg in mir auf. Dein Papa sollte sofort die Hebamme rufen.
Sie kam gerade noch rechtzeitig und überreichte mir einen Spuckbeutel. Es kam alles Retour, was ich in den letzten Stunden getrunken hatte. Ich fühlte mich ausgelaugt und verunsichert. Was bedeutete dieser Blasensprung nun für die Geburt? Würde ab nun die Zeit gegen uns ticken? Ich drehte mich auf meine andere Seite und wurde erst mal ans CTG angeschlossen. Ich lag noch immer im Bett des Vorbereitungsraumes und fühlte mich auch nicht nach Aufstehen.
Und plötzlich wurde ich überrannt. Von einer heftigen Wehe. Und von der nächsten. Und dann kam auch schon wieder eine. Ich hielt mich am Bettrahmen fest und dachte angestrengt nach, wie ich jetzt am besten atmen sollte. Aber ich konnte mich kaum noch konzentrieren. Eine Wehe folgte auf die nächste, es gab kaum noch eine Pause. Bäm, Bäm, Bäm. Ich bekam Angst. Wir waren doch gerade erst in der Klinik angekommen, standen noch so weit am Anfang und es fühlte sich jetzt schon fast unerträglich an. Die Hebamme forderte mich auf, die Wehen zu vertönen, das verschaffte etwas Linderung. Dennoch war ich völlig raus aus meiner Entspannung und fand nicht mehr in meinen Rhythmus zurück. Die Wehen kamen weiterhin ohne große Pausen und ich war schon total verschwitzt. Und plötzlich spürte ich diesen immensen Druck.
Ich jammerte: "Es drückt so, und es tut so weh". Die Hebamme fummelte am CTG rum und grinste. Sie nahm die Situation zunächst nicht ernst. Doch irgendwann wurde sie hektischer und wollte meinen Muttermund untersuchen. Bei der Vorstellung daran widerstrebte sich alles in mir. Ich wollte keine Untersuchung, ich wollte erst mal eine Pause. Das tat ich auch lautstark kund. Sie kam dann aber gar nicht mehr zu der Untersuchung, denn plötzlich hatte sie es eilig. Sie trennte das CTG, schob mein Bett in den Flur und rief "Wir wechseln jetzt erst mal den Raum".
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Im Flur jammerte ich weiter und bat um Hilfe. "Können Sie mir irgendwas geben? Ich schaffe das nicht". Und dann standen wir mit dem Bett auch schon im Kreißsaal, vier Frauen um mich herum, und alle wirkten ziemlich hektisch. Ich sollte auf das Entbindungsbett wechseln und sah mich vor eine unmögliche Aufgabe gestellt.
Ich wiederholte lautstark: "Ich kann das nicht, ich brauche eine Pause, ich kann nicht mehr". Darauf entgegnete die Hebamme mir: "Frau J., Sie müssen auf das Bett, Sie kriegen jetzt ihr Kind".
Ich war völlig überrumpelt. Von den Worten, den Wehen, der ganzen Situation. Irgendwie schaffte ich es auf das Bett. Noch während ich hoch kletterte spürte ich diese unglaubliche Gewalt in mir, die mich zum Pressen drängte. Am Bettende baute die Ärztin hektisch zwei Beinschalen an. Ich wusste garnicht mehr, wie mir geschieht. Ich klammerte mich an deinen Papa und fragte, was denn jetzt hier los sei. Die Ärztin rief "es sieht so aus, als ob ihr Wunsch nach einer Spontangeburt sich gerade erfüllt. Sie sind vollständig eröffnet, Sie dürfen jetzt mitschieben". Die Worte hallten in meinem Kopf wider. Ich war verwirrt. Ich konnte es nicht glauben. Vor zwei Stunden war ich doch noch bei 1,5cm... da kam auch schon die nächste Wehe und ich konnte dem Druck nicht mehr widerstehen.
Ich schob also mit. Am Rande bekam ich nun auch die Ursache für die Hektik mit. Deine Herztöne waren auffällig. Die Ärztin begann, etwas auszupacken. "Ihr Kindchen hat etwas Stress, ich weiß nicht warum, vielleicht ist die Nabelschnur gerade etwas abgedrückt. Deshalb muss es jetzt schnell gehen, wir müssen ihm ein bisschen helfen". Da überkam mich die nächste Wehe. Ich schob. Die Ärztin feuerte mich an und rief "sehr gut, ich sehe den Kopf schon". Dann versuchte sie, dir eine Saugglocke an den Kopf zu setzen. In diesem Moment kam schon wieder die nächste Wehe und ich schob dich mit aller Kraft. Die Ärztin fummelte erfolglos, sie bekam die Saugglocke nicht ran. Die nächste Wehe folgte. Ich spürte, wie ich dich immer weiter durch den Geburtskanal schob. Und plötzlich war die Saugglocke hinfällig. Die Ärztin setzte einen Dammschnitt und mit der nächsten Wehe war dein Kopf auch schon geboren. "Sie machen das sehr gut, der Kopf ist da, einmal noch schieben!" Und da war sie: die letzte Wehe. Ich schob dich aus mir heraus in die Hände der Ärztin.
Ich fühlte mich wie in Trance. All der Schmerz fiel plötzlich von mir ab und wich purer Freude. Ich setzte mich auf und nahm dich entgegen. Du kleines Bündel neuen Lebens. Ich legte dich auf meine Brust, übersäte dich mit Küssen und konnte es dennoch kaum glauben. Ich hatte dich geboren. Ich hatte dich aus eigener Kraft geboren. Wir hatten es geschafft. Es war 7:59 Uhr und du lagst in meinen Armen. Ich blickte deinen Papa an. Auch er war fassungslos. Wir hatten beide mit diesem Tempo nicht gerechnet. Da lagst du, völlig zufrieden und es ging dir gut.
Wir ließen die Nabelschnur noch eine ganze Weile auspulsieren. Sie war beeindruckend lang und gekringelt wie ein altes Telefonkabel. Kurz darauf löste sich auch die Plazenta und rutschte fast von alleine nach. Du lagst die ganze Zeit bei mir und fingst nach kurzer Zeit sogar schon an, die Brust zu suchen.
Und dann hattest du da ja noch eine kleine Überraschung für uns. Ein Blick unter das Handtuch verriet eindeutig: Du bist unser zweiter Sohn. Du öffnetest deine Augen und schautest mich verträumt an. Ich konnte es immer noch kaum glauben. Ich hatte dich geboren!
Wir verbrachten noch eine ganze Weile im Kreißsaal. Nachdem dein Papa die Nabelschnur durchtrennt hatte und ich genäht wurde, hatten wir viel Zeit zu dritt. Dein Papa und ich schauten uns immer wieder ungläubig an und konnten nur schwer fassen, was in den letzten beiden Stunden passiert war. Aber so langsam kamen auch wir in der Situation an. Du warst nun bei uns und wir konnten den Blick kaum von dir wenden.
Irgendwann kam die Hebamme und untersuchte dich direkt neben uns. Beim Wiegen schüttelte sie ungläubig den Kopf. 4510g auf 55cm, 37cm Kopfumfang. Ihren Kommentar habe ich immer noch im Ohr: "Zwei Kaiserschnitte und danach eine Vaginalgeburt von so einem großen Kind in dem Tempo. Das glaubt uns doch wieder niemand".
Aber so ähnlich ging es uns auch. Es war einfach unglaublich. Unglaublich wunderbar!
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